Die Mafia - Der Ursprung
#1
Die Ursprünge der Mafia
Die Insel Sizilien stand im Laufe ihrer Geschichte fast ununterbrochen unter Fremdherrschaft und wurde meist nur als abgelegene Provinz behandelt. Feudalismus prägte das Land bis weit ins 19. Jahrhundert hinein bis zur schrittweisen Abschaffung der Leibeigenschaft (1816- 1841). Dabei war die Auflösung der Bindung an Boden und Grund von zahlreichen Spannungen geprägt und in dieser Periode ist die Entstehung der Mafia anzusetzen.

Die fast uneingeschränkt regierenden Großgrundbesitzer im Inneren und Westen Siziliens begannen Ende des 18. Jahrhunderts ihren Hauptwohnsitz nach Palermo oder Neapel zu verlegen. Ihre Ländereien sicherten sie mit eigenen Schutztruppen ab, deren Führer oft zu der Schicht der Großpächter (Gabelloti) aufstiegen, die das Land für eine jährliche Pachtsumme vom Großgrundbesitzer pachteten und dann vor Ort an die Bauern unterverpachteten. Eine nur mangelnde Umsetzung des staatlichen Herrschaftsanspruchs, die mit hohen Kosten verbunden gewesen wäre, erleichterte es den Gabelloti ihre Stellung als informelle Machthaber zu festigen, bis sie im Laufe des 19. Jahrhunderts schließlich oft die alten Großgrundbesitzer verdrängten, die z.T. unter Druck und Erpressungen der Gabelloti den Großteil ihrer Ländereien verkauften. Einzige Käufer waren wiederum die Gabelloti, die das nötige Kapital besaßen und Gewalt als Abschreckung einsetzten.

Der Typ des Mafiosi entstand in den Privattruppen dieser Gabelloti. Wächter und Aufseher auf den Plantagen der Großgrundbesitzer sorgten für Ruhe und Sicherheit in einer Zeit der zunehmenden Gesetzlosigkeit und des Banditentums. Gleichzeitig aber zwangen sie die Bauern zu den berüchtigten pizzu (ein Teil der Ernte als Schutzgebühr).

Entscheidend für die Durchsetzung als Mafiosi war aber eine charismatische und gewalttätige Persönlichkeit, die eine Klientel aufbauen konnte und ein hohes Ansehen bei der Bevölkerung erlangte, da sie sich kongruent zu den sizilianischen Werten verhielt, allerdings in der extremsten Form. Die Gewalt als Grundprinzip genügte nicht zum Aufstieg zu einem Mafioso; Autorität, verbunden mit Vorsicht, Ausgeglichenheit und Schlauheit waren wichtig, wenn der Mafiosi seine Position als Vermittler, Ratgeber, Richter und Beschützer wirkungsvoll ausüben wollte. Sein Ansehen stieg dabei mit der Anzahl der Personen, die sich ihm anvertrauten.
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#2
Wie entstand die Mafia?
In den 70er/80er Jahren entstanden neue Erklärungsansätze für die Enststehung der Mafia.

Demnach entstand die Mafia :
  • In Gegenden, in denen es wirtschaftliche Kämpfe über Grund/Boden und Ressourcen gab
  • In Gegenden, in denen mobiler Reichtum vorhanden war (städtisch geprägt Klima mit häufigen Geschäftsabschlüssen
  • In Gegenden, in denen wo politische Kämpfe zwischen örtlichen Fraktionen herrschten. Diese stellten eigene Schutztruppen auf, da die Autorität des Staates nicht sehr ausgeprägt war.


Die Ursprünge der Mafia lagen nach den Thesen des Mafiaforschers Diego Gembetta bei den kleinen Grundeigentümern reicher Agragebiete und den damit verbundenen Märkten. Mafia ist also eher ein städtisches Phänomen, denn sie entstand nur in den reichen Gegenden Westsiziliens und nicht in den ruhigeren und ärmeren Orten im Osten. Haupteinnahmequelle für die Mafia war dabei die Regelung und Organisation der Großmärkte. Konkret traten sie als zuverlässige Vermittler zwischen den zahlreichen Kartellen und Berufsverbänden auf, die das Wirtschaftsleben monopolisierten. Die Mafiosi überachten und vermittelten die Vereinbarungen, die sie dann, wenn notwendig, mit Gewalt durchsetzten.
⇒ die Mafia konnte nur entstehen, weil der Staat keine Sicherheit bieten konnte und wollte.


Auf dem Lande gab es 2 Nachfragebereiche für den Schutz
  • Kontrolle der verarmten Bauern, die häufig rebellisch wurden. Die Mafia ging im Auftrag von reichen Grundbesitzern gegen die schlecht organisierten Bauern vor. Erst der Faschismus brach das Schutzmonopol der Mafia auf dem Lande.
  • Eigentumsrechte
    Das Privateigentum war nach der Abschaffung des Feudalismus zu Beginn der 19. Jahrhunderts eine umwälzende Neuerung, die sich nur schwer durchsetzen ließ. Das weitverbreitete Banditentum wuchs zu einer immer stärkeren Bedrojung heran. Dadurch erlangten die Schutzgeber, d.h. die Mafia, eine stärker werdende Stellung. Die Mafiosi schützten die Ernteprodukte und transportierte sie sicher in die Städte, wo sie Kontaktnetze aufgebaut hatten. Dadurch gewannen sie in den Dörfern der Bauern eine hohe Reputation, die die Bauern später auch bei anderen Fragen oer Problemen nutzen wollten. (Festigung der Machtstellung im Dorf). Dafür verlangte der Mafiosi natürlich eine Unterordnung und eine Art Steuer (Pizzu", Schutzgeld)

Wichtig: Die Mafia entwickelte sich entlang den Handelsstraßen zu den Küsten, dort wo sich die Stadt mit der ländlichen Welt verband. Bei der Staatsgründung 1860/61 war die Mafia in den Dörfern schon konsolidiert.
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#3
Sizilien und die Mafia
In der sizilianischen Gesellschaft war die Gewalt ein akzeptiertes soziales Regulativ in den sozialen Beziehungen, ein normales Mittel zur Interessendurchsetzung und somit ein Maßstab für Ansehen und Ehre.

Typisch für Gesellschaften mit fehlendem staatlichen Schutz und mangelnder Rechtssicherheit ist auch das Primat der Privatsphäre. Der Familismus war das dominante gesellschaftliche Wert- und Handlungsmuster. Klientelbeziehungen sowie fehlendes Verantwortungsgefühl und fehlender Gemeinschaftssinn bestimmten das Handeln der Sizilianer.

Der ferne Staat wurde als korrupter Komplex angesehen, der nicht im Dienste der Bürger stand. Potenziert wurde diese antistaatliche Haltung in Sizilien, als nach der Staatseinigung von 1861 die allgemeine Wehrpflicht und das "norditalienische" Steuersystem in Sizilien eingeführt wurden. Auch das Justizwesen wurde als aufgezwungen betrachtet, da es mit einer anderen Normenvorstellung in die Normenwelt des Südens eingriff.

Die Mafia verkörperte diese sizilianische Mentalität in der extremsten Form und wurde gleichzeitg gefürchtet und respektiert. Auf der einen Seite beutete sie die Bevölkerung durch harte Pachtverträge und erzwungene Abgaben (pizzu) aus, aber andererseits besetzte der Mafiosi in diesem weitgehend staatsfreien Raum die Rolle eines Beschützers, Vermittlers, Ratgebers und Richters , der bereit ist Gewalt anzuwenden, damit die geltenden kulturellen Werte und Normen eingehalten werden.
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#4
Der Staat und die Mafia
Das Verhältnis zwischen dem Staat und der Mafia war im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts jedoch nicht von einer Abschottung gekennzeichnet, denn der Staat akzeptierte die Mafia als eine Stütze des Status Quo, die für die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung sorgte und das gesellschaftliche Konfliktpotential senkte. Nichtkonformes Verhalten wurde von der Mafia in der Regel sanktioniert. Diebe, Landstreicher, Homosexuelle, Banditen und Huren wurden wirkungsvoll bekämpft.

Andererseits bemühte sich die Mafia um eine Annäherung an staatliche Institutionen und an die Staatsvertreter vor Ort, um ihre informelle Machtposition langfristig abzusichern und sich einen privilegierten Zugang zu den staatlichen Befugnissen zu verschaffen. Erleichtert wurde dies durch die schrittweise Erweiterung des Wahlrechtes, das ihnen als Patronen einer großen Klientel Einfluß auf bestimmte Politiker sicherte.

Die Mafia war also durchaus in der sizilianischen Volkskultur verankert und besaß eine höhere Legitimität als der ferne Staat, der als Fremdkörper erschien. Dies machte die Verfolgung der Mafia so schwierig, denn eine Aufhebung des Mafiösen hätte eine völlige Umkrempelung der sizilianischen Gesellschaft vorausgesetzt.
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#5
Corleone
Als Hochburg und Zentrum der Mafia galt schon immer die sizilianische Hauptstadt Palermo, in der zahlreiche Mafiaclans ihre Claims abgesteckt hatten. Hier fanden stets die großen Bandenkämpfe statt, da dort die lukrativsten Märkte im Bausektor und bei öffentlichen Ausschreibungen winkten.

In den 70er Jahren verlagerte sich das Zentrum jedoch in die kleine Stadt Corleone, südlich von Palermo in den Bergen gelegen. In 30 Jahren hatte die dortige Mafia ihre Macht kontinuierlich gegen die eher traditionellen Mafiagruppen aus Palermo ausgebaut. Stärker als alle anderen Clans hatten die Corleoneser alte Werte und Sitten abgestreift und sich auf den schnellen Weg zu Geld und Macht konzenriert. Als erster Mafiaclan stiegen die Corleoneser in großem Stil ins Heroingeschäft ein (Übernahme des Geschäftes von der zerschlagenen French Connection) und verdienten in kurzer Zeit enorme Geldsummen. Alte Abmachungen zwischen Mafiafamilien galten bei den Corleonesern nichts mehr.

Die Stadt Corleone hatte schon immer einen sehr schlechten Ruf als eine der gewalttätigsten Städte der Welt. Von 1944 bis 1948 wurden in der Stadt 153 Morde verzeichnet und 1953- 58 verlor Corleone 1,3 % der Bevölkerung durch Mordtaten (bei einer Bevölkerungszahl unter 10 000 Einwohnern).

1980 zogen die Corleoneser dann zur Entscheidungsschlacht aus, bei der sie im "Großen Mafiakrieg" mit > 300 Toten in Palermo die Vorherrschaft der Palermer Clans brachen. Mit einer selbst für Mafiaverhältnissen äußerst brutalen Methode und Strategie wurden ganze Clans komplett ausgelöscht. Auch völlig Unbeteiligte und entfernte Verwandte wurden ermordet, um eine Rache zu verhindern. Die Corleoneser konnten die Clans abschlachten, da der alte Mafia-Kodex nicht mehr viel galt und zahlreiche Unter-Bosse die Chance nutzten und ihre Oberhäupter verrieten. Ohne Dank, denn diese wurden dann auch ermordet.

Aus diesen Auseinandersetzungen ging die Cosa Nostra stärker, kompakter, vereinter, hierarchischer, dichter und noch undurchsichtiger hervor. Unangefochten strand nun ein Mafia-Boss an der Spitze der sizilianischen Mafia: Toto Riina aus Corleone.

Gleichzeitig legte die Mafia auch alle Hemmungen gegenüber dem Staat ab. Erstmals wurden auch Richter, Politiker und Polizeiführer in großer Zahl ermordet. Bis dato hatte die Mafia solche Attacken auf Vertreter des Staates vermieden, da solche Morde immer verstärkte Ermittlungsaktivitäten in der Region nach sich zogen und den normalen Gang der Geschäfte störten.
Die Corleoneser fühlten sich jedoch stark genug, gleichzeitig gegen die konkurrierenden Clans und gegen Staatsvertreter vorzugehen. Denn zu dieser Zeit wurden erstmals erfolgsversprechende Maßnahmen gegen die Mafia ernsthaft diskutiert.
Dies zeigte schon eine Zeitenwende, denn bis dahin konnte die Mafia solche Probleme meistens hinter den Kulissen regeln. Die Gewaltwelle war also eher ein Zeichen für die Schwäche der Mafia.
1982 bekam die Mafia mit dem Carabinieri-General della Chiesa erstmals einen gleichwertigen Gegner, der dann auch schon nach wenigen Wochen ermordet wurde. Danach wurde schrittweise der Ermittlungsapparat der Anti-Mafia-Ermittler ausgeweitet.

Gerade die Gewalt war für die Mafia sehr kontraproduktiv, da die Öffentlichkeit verstärkt ein wirksames Eingreifen des Staates verlangte und sich Anti-Mafia-Bewegungen in Sizilien bildeten. Als Anfang der 90er Jahre die schützende Hand der Politiker wegfiel, reagierte die Mafia wiederum mit einer brutalen Gewaltserie, der in Palermo 1991 718 Personen zum Opfer fielen.
Ein Nebeneffekt des Zusammenbruch des alten Parteiensystems in Italien war die zunehmende Bereitschaft von inhaftierten Mafiosi auszupacken. Aufgrund unzähliger Kronzeugen-Aussagen konnten dann die meisten führenden Mafia-Führer festgenommen werden, darunter der Corleone-Boss Toto Riina, der seit 23 Jahre auf der Flucht gewesen war.
Dies bedeutet jedoch nicht das Ende der Mafia, denn die Positionen werden schnell wieder von anderen ausgefüllt. Entscheidend ist dabei, inwieweit die bestehenden Clans sich befrieden und neue Beziehungen zu Machthabern und Staatsvertretern aufbauen können. Denn die Mafia lebt von organischen Beziehung.
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